Pasigraphie
Ein
Schlüssel zum Ursprung struktureller Konzepte
Das größte Problem
des Menschen ist, zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden zu können. Eine
Inflation der Konzepte tritt ein, wenn mehr Gedanken über die Wahrheit in Umlauf
sind, als die Wirklichkeit deckt.
Die Wirklichkeit zu
beschreiben ist wie ein Bild zu malen. Man kann nicht in der Ecke oben links
anfangen und in der Ecke unten rechts aufhören. Wir malen ein wenig hier und
dort und die Umrisse tauchen langsam aus dem Nichts auf: Die Formen und Farben
entstehen. Wir fangen also nicht an einer bestimmten Stelle an, sondern
überlassen es eher dem Zufall. Es gibt keine logische Reihenfolge, dennoch lebt
das fertige Bild.
Nur wenige
wissenschaftliche Theorien des 18. und 19. Jahrhunderts haben das 20.
Jahrhundert überlebt. Eine von ihnen ist Goethes Farbenlehre. Inspiriert von
Newtons ”Measurement Of The White Light” wurde sie 1810 als ”Geschichte der
Farbenlehre” veröffentlicht. Sie ist die wissenschaftlichen Grundlage der
Pasigraphie.
sub rot + |
weiβ ∞ |
ob gelb + |
orange ++ |
abstr. blau - |
indigo ∞ |
violett +- |
schwarz O |
grün +- |
Die Entdeckung, dass
Vokale und Farben übereinstimmen, brachte einen dänischen Künstler in den
Fünfzigerjahren zu dem Schluss, dass es sich möglicherweise um ein Grundprinzip
handelt.
Wir lernten uns 1954
kennen. Und die Vorstellung, diese Entdeckung in der abstrakten Welt
weiterzuverfolgen hat uns begeistert. Wir stürzten uns in das Unbekannte. Er
als der Alchimist, ich eher als der Zauberlehrling.
Anfangs wollten wir
unsere Arbeit anonym veröffentlichen. Allmählich aber wurde uns klar, dass eine
tiefer gehende Einführung notwendig wäre, um ein besseres Verständnis unserer
Theorie zu ermöglichen.
Nachdem wir jahrelang
zusammengearbeitet hatten, übten tote Sprachen eine immer gröβerer
werdende Anziehungskraft auf meinen Freund aus. Unsere Wege haben sich dann
getrennt, unsere Freundschaft ist aber intakt geblieben. Jahrelang habe ich
darauf gewartet, dass er unsere Arbeit veröffentlicht. Er ist aber gestorben,
ohne es verwirklicht zu haben.
sub a + |
i ∞ |
ob o + |
aa ++ |
abstr. e - |
y ∞ |
ä +- |
u O |
ö +- |
Seitdem schwanke ich zwischen Optimismus und Skepsis, wenn ich an die
Möglichkeit denke, eine Ecke des Schleiers hochzuheben,den die Zeit auf unser
Werk gelegt hat. Damals war unsere einzige Sorge zwischen Wirklichkeit und
Fiktion zu unterscheiden. Jetzt erkenne ich, dass die alte Welt zusammenbricht
und eine neue Welt erst ihre Weg finden muss, um auf eigenen Beine zu stehen.
Dass es eine kurzsichtige Philosophie ist, in Skepsis und Depression zu fallen
nur, weil man seinerzeit unverstanden blieb. Auch frühe Kulturen wären
unbekannt und unverstanden geblieben, wenn nicht Forschungspioniere durch ihre
hartknäckige und leidenschaftliche Arbeit ihre Intelligenz- und Wissenssysteme
entschlüsselt hätten. Diese Seiten sind den Menschen gewidmet, die die
Fähigkeit haben zu staunen, wenn sie vor etwas stehen, dass sie nicht
verstehen.
Der Autor
sub ursache + |
zufall ∞ |
ob wirkung + |
funktion ++ |
abstr. prinzip - |
bedingung ∞ |
möglichkeit +- |
plan O |
konsequenz +- |
Es gibt drei Grundfarben im Spektrum. Alle Pasigraphien beinhalten drei
Grundelemente: Ursache ist subjektiv, Wirkung objektiv und Prinzip
abstraktiv. Wir setzen voraus, dass Ursache und Wirkung aktiv sind,
wobei das Prinzip die regressive und (optisch leere) Dimension oder das Konzept
darstellt. Da wir nichts Besseres fanden, gaben wir Ursache und Wirkung das
Zeichen + und Prinzip das Zeichen -. Es ist sehr einfach zu verstehen, dass
Ursache und Wirkung zusammen Funktion ergeben. Wir gaben Funktion ++, nur um zu
zeigen, was es damit auf sich hat. Funktion und Prinzip konvergieren zu Plan,
der den Schwerpunkt der Pasigraphie bildet. Deswegen bekam Plan das Zeichen 0
(null). Funktion und Prinzip divergieren in Richtung Zufall. Das ist die
Dimension, die wir Kraftfeld nennen. Wir können nicht in das Verhältnis
”Funktion-Zufall” eingreifen. Wir müssen aber einen Zusammenhang definieren.
Bedingung ist dieser Teil von Zufall, der zu Funktion komplementär ist.
Wie Zufall bekommt Bedingung das Zeichen ∞. Ursache wird
sublimiert in Prinzip zu Möglichkeit. Wirkung wird sublimiert in Prinzip zu
Konsequenz. Ihr gaben wir das Zeichen +-.
Die linke Seite der Pasigraphie (Ursache, Prinzip, Möglichkeit) nennen
wir ”die subjektive Seite”. Die rechte Seite (Wirkung, Prinzip, Konsequenz)
nennen wir ”die objektive Seite”.
Wenn wir die Farbpasigraphie betrachten, dann stellen wir fest, dass
violett sich aus rot und blau ergibt und
grün aus gelb und blau. Das heiẞt, dass rot und grün Komplementärfarben
sind, so wie gelb und violett. Betrachten wir die Pasigraphie der Vokale,
stellen wir fest, dass a und e ä ergeben, o und e ö. Betrachten wir die
Pasigraphie oben, dann stellen wir fest, dass Ursache und Prinzip Möglichkeit ergeben
und Wirkung und Prinzip Konsequenz.
Wir können sagen, dass rot und grün, gelb und violett, a und ö, o und ä
Ursache und Konsequenz, Wirkung und Möglichkeit komplementär sind, so
funktioniert es in allen Pasigraphien.
Manche Pasigraphien ähneln einander mehr als andere :
sub anschau lichkeit + |
rätsel ∞ |
ob genauigkeit + |
definition ++ |
abstr. methode - |
problem ∞ |
theorie +- |
lösung O |
schluss folgerung +- |
Die Geometrie z.B.
ist subjektiv und anschaulich, die Arithmetik ist objektiv und genau. Beides
zusammen genommen ergibt Definition. Definition und Methode konvergieren zu
Lösung und divergieren in Richtung Rätsel. Mit Rätsel verhält es sich wie mit
Zufall. Aus diesem Grunde können wir nicht in das Verhältnis Definition-Rätsel
eingreifen. Wir ersetzen es durch Problem, das komplementär zu Definition ist.
Anschaulichkeit, sublimiert in Methode führt zu Theorie, während Genauigkeit,
sublimiert in Methode, zu Schlussfolgerung führt. Anschaulichkeit, Methode und
Theorie sind die subjektive Seite. Genauigkeit, Methode und Schlussfolgerung
sind die objektive Seite, dennoch sind weder Theorie noch Schlussfolgerung die
Lösung, die jedoch Theorie und Schlussfolgerung enthält.
Konzepte, für die es
kein existierendes Wort gibt, sind schwierig zu formulieren. Wir hatten viele
unvollständige Pasigraphien und wir dachten, dass es ebenso in anderen Sprachen
sein müsste. Jeder Mensch, der ein bestimmtes Wort in eine andere Sprache
übersetzen will, hat oft keine andere Wahl als das unübersetzbare Wort durch
mehrere Wörter oder Sätze zu ersetzen. Wir mussten feststellen, dass es
manchmal an Wörtern fehlt, obwohl alle Konzepte existieren, um sie
auszudrücken. Das geht so lange, bis jemand ein neues Wort einführt, wie zum
Beispiel das komplementäre Wort von Egoismus: Altruismus, das Auguste Comtes
erfunden hat.
In meinem Lateinbuch
stand: ”A posse ad esse non valet consequentia”: ” Dass etwas existieren kann,
heiβt nicht, dass es existiert”. Dass es bis zu sechsmal mehr Wörter in
der englischen Sprache gibt, als in irgend einer anderen Sprache, heiβt
nur, dass es mehr Synonyme gibt, nicht aber mehr Konzepte.
Wir fühlten uns
manchmal etwas verloren. Hier folgt ein lustiges Beispiel: die Geometrie.
sub
+ |
|
ob
+ |
|
abstr. · - |
|
|
|
|
Wir konnten in der
Geometrie nur die drei Grunddimensionen finden! Diese Pasigraphie bestand aus
einem Haufen unvollständiger Zettel, in dem wir ab und zu wühlten, um Konzepte
zu entdecken. Eines Tages tauchte die befreiende Erkenntnis auf: Es gibt nur
drei! Die Geometrie ist eine dreidimensionale Struktur. Die Kurven sind
subjektiv, die Geraden objektiv und die Punkte abstraktiv.
Die Muschel ist ein
gelungener Versuch der Natur eine Spezies zu schaffen, die dank ihrer sehr
harten Kalkschalen in einer grausamen und bedrohlichen Welt überleben kann.
Diese Schalen sind schwer zu brechen. Wenn man sich damit zufrieden gibt, auf
dem Meeresboden an einem Stein zu haften und dabei seine Schalen zu bewegen, um
sich zu ernähren, ist die Entdeckung nicht schlecht. Der Beweis dafür ist, dass
es die Muschel immer noch gibt! Sie stellt das
Optimum an Schutz gegenüber dem Minimum an Beweglichkeit dar.
In der Evolution gab
es aber noch eine bessere Idee. Sie kam viel später, erst nach vielen anderen
Versuchen. Die Knochen, umgeben von Muskeln, stellen die komplementäre
Situation dar: Ein Minimum an Schutz steht einem Maximum an Mobilität
gegenüber. Man kann sagen, dass das Fliehen ein besserer Schutz geworden ist,
als sich nicht von der Stelle zu rühren und sich der Gefahr auszusetzen.
Die Fliege zeichnet
stur ein ”mene mene tekel upharsin” auf die Fensterscheibe. Ihre Anstrengung
ist dem ihr komplementären Widerstand, dem sie begegnet, gleichzusetzen. Trotz
sehr entwickelter Sehkraft bleibt sie wegen des fehlenden Bewusstseins geblendet.
Die unerschütterliche Bourgeoisie sucht Schutz hinter Uniformen. Die
Evolution von der Muschel bis nach Guantanamo ist also einleuchtend. Das Drama
findet Ausdruck in den Sagen und Mythen. Zum Beispiel würfeln römische Soldaten
um Christi abgelegte Kleider, während er nackt und verwundbar am Kreuz im
Sterben hängt. Die Insekten, reine Instinkt-Lebewesen, nähern sich der
Perfektion durch ihre Effizienz. Nur das Militär kann mit ihnen rivalisieren.
Deswegen gehören die Heuschrecken zu den zehn Plagen Ägyptens und die Mücken
zur Geschichte der Medizin. Wespen und Hornissen 60 mal gefährlicher als die
seit Adam und Eva legendären Vipern, die ihren schlechten Ruf gar nicht
verdienen.
Huxley und Orwell waren der Meinung, dass ein wirksamer und perfekter
Polizeistaat das Ende der Geschichte bedeuten würde. Es sieht so aus, als wären
wir auf diesem Weg. Die Weltkrise scheint aber diese Tendenz durcheinander zu
bringen. Eine bestimmte Macht des Geldes ist dabei zu verschwinden,
gleichzeitig lösen sich riesige Vermögen in Nichts auf. Die Welt erliegt einem
politischen Spiel, das eine Grauzone zwischen den illusorischen Verlusten der
Groβkonzerne und dem sehr realen Verlust von Arbeitsplätzen entstehen
lässt.
Nicht ohne Grund versucht die Globalisierung den Einfluss der
Institutionen auf die Gesellschaft und Entwicklung, Reform genannt, zu
verringern. Zu diesem Zweck benutzten sie die Politiker wie ihre Marionetten.
Der ”freie Markt” ist nichts anderes als
Diebstahl. Das hat Marx durchschaut! Wenn im Handel 80% des Verkaufspreises in
Werbung verschwindet, ist das getarnter Diebstahl. Die Griechen hatten mit viel
Selbstironie einen Gott des Handels und des Diebstahls, Hermes, geschaffen.
Diese Erfahrung, die wir gerade aus der eigenen Tasche bezahlen, ist so alt wie
die Geschichte selbst.
Die Politiker des Kapitalismus probieren ein neues Kunststück aus, um
den Schein zu wahren und werfen die letzten Milliarden ins Roulettenspiel. Die
Schwindler fliehen mit vollen Taschen, wie in ” Des Kaisers neue Kleider ”.
Es ist nur ein Spiel; dieses Spiel der Illusionen aber weiter zu
führen, käme dem Akzeptieren einer neuen Weltordnung gleich, deren Ausbreitung
und Einschränkungen Huxley und Orwell vorausgesagt hatten.
Die Frage nach dem echten Verhältnis zwischen Gültigkeit und Wert soll
gestellt werden: Gültigkeit ohne Wert oder Wert ohne Gültigkeit?
Mir ist bewusst, dass diese philosophischen Spekulationen den Millionen
von Leuten, denen Arbeitslosigkeit droht, ziemlich gleichgültig sein werden.
Aber sind sie nicht an ihrem bitteren Los beteiligt, da sie Politiker wählen,
die ihren kollektiven Besitz privatisieren und ihren Wohlfahrtsstaat
abschaffen?
Wir entfernen uns langsam von den Grundkriterien der Evolution zwischen
der Spezie und dem Individuum, vom ”bekannten” Bürger zum ”unbekannten”
Menschen. Betrachten wir alle Zwischenstadien, die die Natur ins Leben gerufen
hat, von der Muschel zum Bürger, verstehen wir, dass die Evolution sehr lang
und komplex ist.
sind zwei Einheiten, die ein Ganzes bilden. x
und y sind komplementär, das heiβt, dass jede für sich einen begrenzten
Wert hat. Im Bezug zueinander verschmelzen sie trotzdem wie die Farben eines
Regenbogens.
Eine Gleichung ist ein Werkzeug und wie jedes Werkzeug erfüllt sie
einen bestimmten Zweck. Wenn es zu einem anderen Zweck benutzt wird
funktioniert es entweder schlecht oder nicht. Eine Kneifzange ist genauso ungeeignet, einen Zahn zu ziehen, wie eine
Zahnarztzange einen Nagel...
Die zwei folgenden Bilder sind auch Werkzeuge, die die gleichen Zwecke
erfüllen, wie andere Werkzeuge. Wir benutzten zwei Kreise, um zwei verschiedene
Funktionen darzustellen. Der erste zeigt eine Weltreise vom Äquator aus: Es ist
möglich, in die eine oder in die andere Richtung zu gehen. Der zweite zeigt
eine Reise vom Nordpol zum Südpol. Vom zentralen Punkt aus gehend wird der
erste Schritt immer zum entgegengesetzten Pol führen. Es ist aber möglich, in
alle Richtungen zu laufen.
Die groβen religiösen oder politischen Bewegungen äuβern sich
immer durch Gegensätze, die nicht notwendigerweise komplementär sind auch, wenn
die Komplemente in Opposition zueinander stehen. Sie bewegen sich in die eine
oder andere Richtung, hängen aber von der gleichen Logik ab. Nur wenige gehen
von dem unbeweglichen Punkt aus. In diesem Punkt entsteht eine reine
Komplementarität. Die Einschränkung ist absolut, die Freiheit ist aber
unendlich.
Bleiben wir bei den Symbolen: Die Inder nennen dieses Zeichen
”Svastika”, ein aus dem Sanskrit stammendes Wort. Dieses Zeichen ist in der
ganzen Welt bekannt, sogar bei den Indianern. Es wird vermutet, dass es sich um
ein Solarsymbol handelt oder um ein Rad,
das ”revolution = umdrehen” symbolisiert. Die indische Bedeutung,
”Glücksbringer”, schien uns einleuchtend: Waagerecht die ”Möglichkeiten”,
senkrecht die ”Entscheidungen”.
Nach jeder Entscheidung dreht sich das Rad um ein Viertel und die
Entscheidung bringt neue Möglichkeiten, die neue Entscheidungen fordern, die das Rad erneut um ein Viertel zum Drehen
bringen und somit wieder zu neuen Möglichkeiten führen und so weiter...
Dieses schöne Zeichen ist leider einem Haufen Kriminellen der
schlimmsten Sorte zum Opfer gefallen und wurde schwer missbraucht.
Der Zentaur ist ein seltsames Wesen, das wir auch interpretieren
können. Was ist die wirkliche Beziehung zwischen Pferd und Reiter? Jeder für
sich bildet eine Einheit. Der Reiter trifft die Entscheidungen und führt das
Pferd. Die falsche Beziehung ist, dass sie eins geworden sind, und das Pferd
mit dem Reiter läuft. Ersetzen wir das Wort Pferd durch Lage und Reiter durch
Mensch. Weil sie eins geworden sind, läuft die Lage mit dem Menschen, statt
dass der Mensch die Lage durch seine Entscheidungen beherrscht. Ersetzen wir
jetzt Pferd durch Marktwirtschaft oder durch Globalisierung. Was ergibt das?
Während der Vorbereitung dieser Einführung in die Pasigraphie ist ein
Problem aufgekommen, das ohne befriedigende Lösung geblieben ist. Sollte ich
unvollständige Pasigraphien zeigen? Nach langer Überlegung habe ich entschieden
darauf zu verzichten. Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen, die sich diese
Einführung vornehmen und weiter recherchieren möchten, ihren eigenen Weg finden
werden. Vielleicht schaffen sie es, die Hindernisse, die uns begegnet sind, zu
vermeiden. Vielleicht gibt es keine Begriffe, um die Konzepte, die sich in der
Pasigraphie verstecken, auszudrücken oder wir haben sie womöglich nicht
gefunden. Die obigen Gleichungen sind jeweils der Anfang von Pasigraphien.
Jeder kann etwas daraus machen.
Es gibt einen tiefgreifenden Grund, der in Bezug zu den zwei folgenden
Pasigraphien steht. Die Pasigraphie ist nicht nur eine intellektuelle Sache:
Wir haben sie nicht geschaffen, sondern wir haben sie entdeckt. Nach einem langen Prozess der Entwicklung des Hirns, die
wahrscheinlich Millionen von Jahren gedauert hat, wissen wir immer noch nicht,
warum Strukturen, wie das von Goethe entdeckte Farbspektrum, sich rein physischen
Strukturen angeschlossen haben.
Angenommen eine Universität würde unsere Arbeit eines Tages entdecken,
wäre eine Initiation in der Form einer wissenschaftlichen Übung im Rahmen des
Philosophieunterrichtes wünschenswert.
sub gefühl + |
glauben ∞ |
ob verständnis + |
bewusstsein ++ |
abstr. geist - |
sinn ∞ |
temperament +- |
wissen O |
charakter +- |
So wie Ursache der Wirkung vorangeht, kommt Gefühl vor Verständnis.
”Nihil in intellectu quod non ante in sensu” : ”Nichts ist bewusst, was nicht
zuerst in den Sinnen gewesen ist”. Das wussten die Römer auch !
sub erlebnis + |
instinkt ∞ |
ob beobachtung + |
bewusstsein ++ |
abstr. traum - |
sinn ∞ |
illusion +- |
vision O |
halluzination +- |
Ein Boot ist ein Konstrukt, das mehr ist als ”die Summe seiner Teile”,
wie Aristoteles es sagt. Die einzelnen Elemente sind nicht tragfähig. Erst die
Art und Weise, wie sie zusammengestellt werden, führt zu Tragfähigkeit. Es wird
von soviel Wasser nach oben getrieben, wie es verdrängt.
Das Boot des Odysseus unterscheidet sich von anderen, weil es nur im
Geist des Menschen existiert. Der Kapitän steht nicht in aller Ruhe am Ruder
und raucht Pfeife! Er ist an den Mast gefesselt, während seine Seeleute mit
Wachs in den Ohren - um dem Gesang der Sirenen zu widerstehen- das Boot
steuern. Mit diesem Kompromiss schaffen es die Männer, das Boot vor dem
Auflaufen auf den Felsen der Sireneninsel zu bewahren. Das ist die Horizontale.
Odysseus ist das Symbol des Entscheiders. Er steht am Mast festgebunden, was
ein Pakt mit der Entscheidung ist. Das ist die Vertikale. Aus allen Richtungen
fährt der Wind in die Segel. Diese starke Naturkraft ist waagerecht und wandelt
sich im Mast in Energie um. Das Ruder beherrscht diese Energie, um das Boot
voranzutreiben. Ohne Führung ist es den Wellen ausgeliefert und würde
abtreiben.
Die getrennt genommenen Elemente einer Gesellschaft können genausowenig
handeln. Die Art und Weise, wie die Gesellschaft zusammengesezt ist, bringt sie
zum funktionieren. Sie bringt dem Menschen genau so viele Freiheiten wie
Zwänge. Eine demokratische Gesellschaft unterscheidet sich dadurch von anderen,
dass sie keine kriegerischen Ziele verfolgt, sondern im Gegenteil das
Wohlbefinden ihres Volkes im Sinne hat. Hier hat das Bild des Regierungschefs
nichts mit dem eines stalinistischen Führers oder eines kleinen psychisch
gestörten Demagogen zu tun. Das Regieren fordert die Vision eines Menschen, der
in Harmonie mit den senkrechten Kräften, die das Boot vorantreiben, steht. Die
Entscheidungen des Regierungschefs treiben die Gesellschaft voran. Die
Politiker dagegen halten am Ruder fest. Ihre Rolle besteht nur darin, die
Richtung durch Kompromisse zu halten. Ohne handfeste Führung driftet eine
Gesellschaft ab und verfällt in Glücksspiele und Milliardengewinne und schickt
ihre Kinder nach Afghanistan, um auf Frauen und Kinder zu schieβen. Solch
ein Boot wird bald auf die Insel der Sirenen auflaufen. ” Ein Land wird mit
Gesetzen konstruiert. Wären die Menschen mit dem was sie haben zufrieden, dann
bräuchten sie keine Gesetze” (Jutlandgesetz 1241). Diejenigen, die sich dieses
Gesetz ausgedacht haben wussten, wie Odysseus, was Versuchung ist.
Im Neuen Testament gibt es folgende Geschichte: Die Jünger Jesu
saβen mitten auf dem See in einem Ruderboot. Sie sahen wie Jesus, auf dem
Wasser gehend, auf sie zu kam. Petrus fragte, ob er zu ihm gehen dürfe und
Jesus antwortete: ”Komm”. Petrus fing also an auf dem Wasser zu gehen, aber
dann fürchtete er sich und begann zu sinken. Jesus nahm ihn bei der Hand und
führte ihn zum Boot zurück. Diese Geschichte erzählt, dass Jesus elementar ist,
er beherrscht die Elemente, während die Menschen sich ihnen fügen müssen. Das
Gesetz (hier das Boot) hält sie auf dem Wasser, sie können es aber nicht
verlassen. Die tiefgreifende Folge der Komplementarität zwischen waagerecht,
Anpassung, und senkrecht, Evolution, ist der Absturz vom Paradies zum Paradox.
Die Scholle, der Schimpanse und der Bürger haben Folgendes gemeinsam:
Als Erwachsene unterscheiden sie sich von dem, was sie bei der Geburt
waren.
Die Schollen kommen zur Welt mit einem Auge auf jeder Seite des Kopfes.
Beim Wachsen dreht sich ihr Kopf und wird waagerecht; die Augen befinden sich
dann auf der nach oben gekehrten Seite. So kann die Scholle sich auf dem
Meeresboden niederlassen und den Sand mit dem Körper klopfen, um sich zu
verstecken. Genau wie das Menschenbaby hat der Schimpanse bei der Geburt ein
Loch im Schädel für die Halswirbel. Beim Wachsen aber verschiebt sich dieses
Loch bis zum Nacken, weil er meistens nicht wie der Mensch aufrecht geht,
sondern auf allen Vieren. Sonst wäre er dazu verurteilt immer auf seine
Füβe zu schauen. Aufrecht kann er aber auch nicht gehen, sonst müsste er
immer nach oben gucken. Diese Spezie ist zwischen dem Vierfüβler, der sie
war und dem Zweifüβler, der Mensch geworden ist, stehengeblieben.
Und schlieβlich wird der Bürger wie alle Menschenbabys mit einem
starken Egoismus geboren, mit einer so durchdringenden Stimme, die fähig ist
die gleichgültigste Mutter der Welt zu wecken! Aus Auguste Comtes Beobachtungen
geht hervor, dass der Mensch den Egoismus in Altruismus sublimiert und dass er
sich zu einem sozialen Wesen entwickelt. Der Bürger dagegen bleibt egoistisch,
ein unüberlegtes Wesen, manipulierbar durch Religion, Politik und vor allem
durch Macht und entwickelt nie eine eigene Persönlichkeit. Der Bürger hängt
ganz von seiner Position in der Hierarchie ab, er bleibt in dem Kastenwesen, in
dem er geboren wurde.
Die Scholle und der Schimpanse unterscheiden sich vom Bürger, indem sie
Scholle und Schimpanse bleiben. Der Bürger aber ist nicht dazu verurteilt,
Bürger zu bleiben. Von Anfang an dreht sich das menschliche Drama um dieses
Thema.
Um Dich daran erinnern zu können, was Du vergessen hast, musst Du erst
vergessen, was Du gelernt hast.
Um ein Haus zu bauen, muss Du ein Gerüst aufstellen. Um in dem Haus
leben zu können, muss das Gerüst abgebaut werden.
reiner klarer
edler